Marx und UmweltschutzKarl Marx – Zur Aktualität von Marx Schriften am Beispiel der globalen ErderwärmungDen Focus der Marxschen Kapitalismuskritik bildete stets die Ausbeutung der Lohnarbeiterschaft durch die Kapitalinhaber. Arbeitnehmerdemonstrationen für mehr Lohn und Gehalt oder gegen Rationalisierungen erinnern an den durch Marx beschriebenen Klassenkampf. Den Schwerpunkt internationaler Politik bildet heute jedoch der weltweite Klimawandel, welcher zur größten Aufgabe für die internationale Staatengemeinschaft geworden ist. Marx hat sich nie direkt zum Umweltschutz geäußert. Die industrielle Revolution brachte jedoch nicht nur das Proletariat hervor, sondern ist auch den Ausgangspunkt der industriellen Umweltverschmutzung. Der durch Öl und Kohle produzierte CO2-Ausstoß, verursacht durch den grenzenlosen Energiebedarf der Industrie, kann unter einer rein marxistischen Betrachtungsweise auf die Gier des Kapitalismus zurückgeführt werden. Dessen, im kommunistischen Manifest beschriebene Maßlosigkeit (Marx/Engels 1971: 530f) , führt zu übermäßigem Energieverbrauch und der Verschwendung fossiler Brennstoffe. Die Zerstörung der Umwelt hat zugleich die Vernichtung von Produktivkräften zur Folge. Die wird unter anderem an den Beispielen Landwirtschaft und Massentourismus deutlich. Was Marx über die Ausbeutung der Arbeitskraft sagt, trifft zugleich auf die rücksichtslose Verschwendung natürlicher Ressourcen zu. Zunächst ist das treibende Motiv und der bestimmende Zweck des kapitalistischen Produktionsprozesses möglichst große Selbstverwertung des Kapitals, d. h. möglichst große Produktion von Mehrwert, also möglichst große Ausbeutung der Arbeitskraft durch den Kapitalisten (Marx 1978: 284).“ Diese Formel kann auf den Bedarf nach billiger Energie übertragen werden. Oberstes Ziel ist es, möglichst einfach den größtmöglichen Profit zu erzielen. Auch wenn dies auf Kosten der Umwelt geschieht. Wie steigende Umweltschäden, bei sinkenden Energiereserven und gleichzeitig wachsendem Energiebedarf der Industriestaaten beweisen, herrscht ein unvermeidlicher Antagonismus zwischen dem Ausbeuter und dem Rohmaterial seiner Ausbeutung“(ebd.). Was dem Kapitalismus fehlt, ist die Direktion der individuellen Handlungen in der Hand der Gesellschaft. Die Leittragenden der rein gewinnorientierten Unternehmensstrategie der kapitalistischen Firmen sind vor allem jene, welche nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, die Folgen des Klimawandels zu minimieren. Betroffen ist der einfache Arbeiter, welcher nach dem Tsunami vor der indonesischen Küste sein ganzes Hab und Gut verloren hat oder der Bauer in Kenia, dem es nach einer langen Dürreperiode nicht mehr gelingt seine Familie zu ernähren. Was im 19. Jahrhundert für das Verhältnis von Bourgeoise und Proletarier galt, nimmt heute ein ganz neues Ausmaß an. Mit der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlage durch multinationale Konzerne, wälzt sich auch der politische Überbau um. Am deutlichsten zu sehen im südafrikanischen Raum und Nahen Osten, im Konflikt um Wasser oder Disparitäten zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, die auf die Nichtratifikation des Kyoto-Protokolls zurückzuführen sind. Zu diesem Ergebnis könnte man gelangen, würde eine Analyse gemäß dem historischen Materialismus erfolgen. Diese lässt jedoch wichtige Fakten außer acht. Zunächst gilt es zu bedenken, dass Luxus und Wohlstand den einfachen Lohnarbeiter zum Mitverantwortlichen machen, sei es in Form des Automobils oder der Ölheizung. Zudem verkehrt das kommunistische China auf Rang 3 der Klimasünder hinter den Vereinigten Staaten und Europa. Dies beweist, dass eine einheitliche Planung und Direktion keineswegs immer zu einem besseren Ergebnis führen muss. Die chinesische Politökonomie entspricht zwar viel mehr dem Leninistischen Modell eines starken Staates, ergänzt durch marktwirtschaftliche Reformen, als dem Marxschen Gesellschaftsmodell, bewiesen ist damit jedoch, dass eine integrierte Wirtschaft allein nicht ausreicht. Das Beispiel Klimapolitik beweist, dass weder der Realtyp des Kommunismus mit verstaatlichtem Eigentum an Produktionsmitteln, noch der einer freien Marktwirtschaft als alleiniger Schuldiger der Erderwärmung ausgemacht werden kann. Die wichtigste Erkenntnis Marx bleibt, dass wirtschaftliche Entscheidungen immer auch die verschiedenen Dimensionen von Politik beeinflussen. Ob eine Aufhebung des Staates als solchen und eine Verschmelzung politischer und wirtschaftlicher Entscheidung in der Gesellschaft dem Gemeinwohl am meisten Rechnung tragen, ist damit jedoch noch nicht bestätigt. Weder liberale noch linke Konzepte, welche sich auf die Analyse des Verhältnisses von Politik und Ökonomie beschränken, können so die ideale Gesellschaft konzipieren. Staatliche Eingriffe in die Freie Marktwirtschaft, sei es in Form verbindlicher Richtwerte, der Besteuerung umweltschädlicher Fahrzeuge oder der Förderung regenerierbarer Energien, tragen derzeit um ein Vielfaches mehr zum Klimaschutz, als die chinesische Regierung bei. Die Ursachen hierfür sind jedoch nicht allein im freien Wettbewerb zu suchen. Variablen wie die ideologische Färbung von Gesellschaft und Staat, das tatsächliche Mitspracherecht der Bevölkerung und die Legitimationsgrundlage der Regierung, unabhängig von den Relationen von Politik und Wirtschaft, sowie die Aufklärung der Menschen durch freie und unabhängige Medien müssen mit berücksichtigt werden. Hier stoßen die Schriften Marx an ihre Grenzen. (Ein Beitrag von C.Schneider) Marx, Karl/Engels, Friedrich, 1971: Das Kommunistische Manifest, in: Karl Marx. Die Frühschriften. Stuttgart, S. 525 – 560. Marx, Karl, 1978: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, in: Sperl, Richard/Wettengel, Hanni (Hrsg.), Karl Marx, Friedrich Engels. Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Band III. Berlin, S. 155 – 452. >> |